Bau- & Architektenrecht
Verzugsschaden nachweisen – Wenn die Parteien vereinbart haben, dass ein Verzugsschaden vom Geschädigten nachzuwiesen ist, reicht eine überschlägige Schadensberechnung nicht aus. In diesem Falle wird der Schadenersatzanspruch nicht fällig. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2023 – 22 U 210/23)
Abnahmewirkung beim Bauträger – Wenn der Bauträger eine nicht AGB-konforme Abnahmeklausel verwendet, tritt die Abnahmewirkung zu seinen Gunsten nicht ein. Er kann sich folglich nicht auf Verjährung berufen. Nur bei besonderer Schutzwürdigkeit des Bauträgers können die Mängelrechte verwirkt sein. (BGH, Urteil vom 09.11.2023 – VII ZR 241/22)
Architekten- und Ingenieurhonorar – Höchst- und Mindestsätze der HOAI sind nicht mehr bindend. Das ergibt sich aus der HOAI 2021. Ausschließlich die Vereinbarung von Auftraggeber und Auftragnehmer ist ausschlaggebend. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.11.2023 – 22 U 153/23)
Die Kündigung eines Bauvertrages bedarf nach dem Gesetz der Schriftform. Die Versendung der Kündigungserklärung per Mail (also in Textform) stellt eine unwirksame Kündigungserklärung dar. Der Bauvertrag besteht weiter. (OLG München Beschluss vom 03.02.2022 – 28 U 3344/21)
Außerordentliche und freie Kündigung? – Wenn eine Kündigung eines Bauvertrages ausdrücklich nur für den Fall erklärt wird, dass eine wichtiger Grund gemäß § 8 Nr. 2 bis 4 VOB/B vorliegt, ist unwirksam, wenn ein solcher Grund nicht gegeben ist. Ob eine außerordentliche Kündigung auch als freie Kündigung des Bauvertrages gem. § 649 Satz 1 BGB oder § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB/B zu verstehen ist, hängt vom Inhalt der Kündigungserklärung ab. Im Regelfall ist eine Kündigung auch als freie Kündigung zu verstehen, andernfalls muss der Auftraggeber sich klar dahin erklären, dass er eine freie Kündigung nicht möchte. (BGH Urteil vom 24.07.2003 – VII ZR 218/02)
Lage von Versorgungsleitungen – Der Tiefbauunternehmer hat sich vor der Ausführung von Arbeiten in jeder erdenklichen Weise zu erkundigen, ob im Baustellenbereich Versorgungsleitungen liegen. Nicht zuletzt wegen der Gefahr für Leib und Leben (Gas- und Starkstromleitungen) muss er die Aktualität von Plänen überprüfen und ggf. Handschachtungen vornehmen. Tut er das nicht, haftet er dem Versorgungsunternehmen für die Kosten der Schadensbeseitigung. (BGH-Urteil vom 13.04.2023 – II ZR 17/22 – Beck-RS 2023, 15692)
Bauhandwerkersicherung – die gibt es auch nach Kündigung und Mängelrüge für die erbrachten Leistungen. Für diese Leistungen muss der Bauunternehmer gesichert werden, wenn er den Werklohnanspruch schlüssig, z. B. durch seine Schlussrechnung nachweist (§ 650f BGB). <die Mängelrüge schließt das Sicherungsrecht aus. OLG Frankfurt/M Beschluss vom 06.03.2023 – 29 U 115/22)
Notarhaftung zugunsten Bauträger – Der Notar, der eine unwirksame Abnahmeklausel beurkundet, haftet dem Bauträger für die daraus entstandenen Schäden. Jeder Erwerber eine Eigentumswohnung muss die Möglichkeit zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums haben, nimmt er wegen einer unwirksamen Abnahmeregelung im Vertrag nicht teil, ist die Abnahme unwirksam. (OLG Celle Urteil vom 01.02.2023 – 3 U 60722)
Baukran und Kontergewicht nicht übers Haus schwenken, kein Schadenersatzanspruch – Der Grundstückseigentümer hat Anspruch darauf, dass das Kontergewicht von Nachbars Baukran nicht in den Luftraum über sein Haus geschwenkt wird, er hat einen Unterlassungsanspruch (vgl. BGH Urteil vom 14.12.2012 – V ZR 49/12). Der Nachbar hat keinen Schadenersatzanspruch wegen Bauzeitverzögerungen, wenn er nicht zuvor seinen etwaigen Duldungsanspruch gerichtlich durchsetzt, denn erst mit dem rechtskräftig festgestellten Duldungsanspruch darf er das Kontergewicht über das andere Grundstück schwenken. (OLG Celle Urteil vom 29.03.2022 -4 U 54/21)
Baukran, Kontergewicht, Schwenkarm mit Lasten – Im Einzelfall muss der Grundstückseigentümer das Schwenken eines Baukranes mit seinen Auslegern in den Luftraum seines Grundstückes ggf. hinnehmen, aber der Nachbar/Bauherr/Bauunternehmer muss es nach Landesrecht ankündigen (z. B. § 7 d II BaWüNRG, § 47 NdsNachbG), Selbthilfe ist unzulässig. Verweigert der Grundstückseigentümer die Zustimmung, muss der Nachbar erst auf Duldung klagen. In den vorliegenden Fällen wurde dem Unterlassungsanspruch stattgegeben. (OLG Suttgart Urteil vom 01.08.2022 – 4 U74/22; LG Lüneburg Urteil vom 08.02.2021 – 3 O 15/21; vgl. auch OLG München NJW-RR 2020, 1470)
Gewährleistungsrechte – unverhältnismäßiger Aufwand für Bauunternehmer und fehlende Wartung – „Entspricht ein Werk den Regeln der Technik und bewährt es sich in Realität, ist eine kostenaufwendige Mangelbeseitigung unverhältnismäßig. Kann ein Mangel auch auf eine unterbliebene Wartung zurückgeführt werden, ist der Unternehmer nicht haftbar, wenn er annehmen darf, dass der Auftraggeber das Wartungserfordernis kennt.“ (NJW-Spezial 2022 749) Hier war der Auftraggeber eine Stadt, die Trägerin der Straßenbaulast ist und als entsprechende Auftraggeberin die Erfordernisse von Wartungsmaßnahmen kennen muss. (OLG Hamm, Urteil vom 18.08.2022 -24 U 51/20)
Eine Genehmigungsplanung eines Architekten ist mit Einreichung durch den Auftraggeber bei der Behörde mindestens konkludent abgenommen. Mit diesem Vorgang beginnt also auch die Gewährleistungspflicht. (OLG Köln – Beschluss vom 21.02.2019 – 16 U 140/18)
Oft können die Kosten einer Mängelbeseitigung selbst bei Beratung durch einen Sachverständigen nicht genau vorausgesagt werden. Wenn noch unklar ist, welche Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind, kann das Gericht die Kosten innerhalb eines Rahmens nach freiem Ermessen schätzen und gemäß § 287 ZPO festsetzen. (KG – Urteil vom 19.02.2019 – 21 U 40/18)
Beim Abschluss eines Vergleichs muss man sehr aufpassen: Vergleichen sich die Parteien eines Bauvertrages dahin, dass der Auftragnehmer noch eine Zahlung erhält, besteht für den Auftraggeber kein Anspruch auf Ausstellung einer Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer. Es handelt sich bei dem Betrag um einen Bruttobetrag. Will der Auftraggeber eine Rechnung, muss das konkret vereinbart werden. (OLG Brandenburg – Urteil vom 11.01.2019 -11 U 69/18)
Zugang zum Bauobjekt – Verweigert der Bauherr dem Grundstücksmiteigentümer die Überlassung eines Haustürschlüssels für das fertiggestellte Haus, so kann dieser die Herausgabe eines Schlüssels durch einstweilige Verfügung erlangen. (AG Nauen, Beschluss von 05.11.2015 – 20 F 118/15)
Werbeplakat = bauliche Anlage – Ein Baugerüst ist eine bauliche Anlage. Wird an dem Baugerüst ein großflächiges Werbeplakat angebracht, so ist auch das Werbeplakat aufgrund von Größe, Beschaffenheit und funktionaler Verbindung mit dem Gerüst eine bauliche Anlage. Wenn diese sich nicht in das Ortsbild einfügt und damit gegen die Bestimmungen einer gemeindlichen Erhaltungssatzung verstößt, darf die Baubehörde die Entfernung des Werbeplakates anordnen. (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.02.2018 – OVG 2 N 62.15)
Anerkannten Regeln der Technik – Immer wieder entsteht Streit zwischen Bauherren und Bauunternehmer über die Frage, ob die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik eingehalten wurden. Eine Spezialität ist die Frage, was eigentlich gilt, wenn sich diese Regeln in der Zeit zwischen dem Vertragsabschluss einerseits und der Abnahme des Werkes andererseits geändert haben. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung geht dahin, dass der Bauunternehmer diejenigen allgemeinen anerkannten Regeln der Technik zu beachten hat, die zum Zeitpunkt der Abnahme des Bauwerkes relevant sind. Insofern treffen ihn stetige Überprüfungs- und Informationspflichten. Er muss den Bauherrn über die Änderungen der Technikregeln in Kenntnis setzen und die damit verbundenen Konsequenzen und Risiken für das konkrete Bauvorhaben unterrichten. (BGH, Urteil vom 14.11.2017 – VII ZR 65/14)
Architektenhaftung – Der Architekt haftet für Planungsfehler. Er wird zum Schadenersatz verurteilt und es wird festgestellt, dass er als Gesamtschuldner dem Auftraggeber für jeden weiteren Schaden an dem entsprechenden Bauteil aufgrund der mangelhaften Planung und Ausführung haftet. Aufgrund des Urteils ist die Verjährung für 30 Jahre gehemmt. Nun sind die 30 Jahre bald um, es liegt wieder ein Schaden an dem Bauteil vor, für den der Architekt verantwortlich ist. Kann der Bauherr erneut ein Feststellungsurteil erwirken, um die Verjährung für weitere 30 Jahre zu hemmen? Der BGH sagt ja und entscheidet zugunsten des Auftraggebers. (BGH Urteil vom 22.02.2018 -VII ZR 253/16)
Der BGH hat die Abwicklung von Mängelansprüchen grundsätzlich neu beurteilt – ein sehr wichtiges Urteil für Bauherren – 1. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).
2. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehen den Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. 2. b) Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses.
3. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen. 3. b) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.
Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.
5. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden gegenüber dem Architekten im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls – bei Veräußerung des Objekts – nach dem konkreten Mindererlös. 5. b) Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.
6. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß § 634 Nr.4, § 280 Abs.1 BGB vom Architekten zu ersetzen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen. 6. b) Darüber hinaus hat der Besteller wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gegen den Architekten. (BGH, Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 – Leitsätze des Gerichts)
Bedenkenanmeldung des Bauunternehmers – Wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber anzeigt, dass er eine Planung für fehlerhaft hält (§ 4 III VOB/B), so muss er die Entscheidung des Auftraggebers abwarten und ggf. nach seinen Weisungen handeln, es sei denn, es wird gegen Gesetze oder behördliche Anordnungen verstoßen. Was aber ist zu tun, wenn der Auftraggeber nicht reagiert? Wenn die Nichtbeachtung seiner Bedenken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Mängeln oder Schäden führt, hat er ein Leistungsverweigerungsrecht. Die OLG–Entscheidung in diesem Fall wird aber nicht zu verallgemeinern sein, es ist eine Einzelfallentscheidung. Denn der Auftragnehmer ist durch § 13 III VOB/B geschützt, nach Bedenkenanmeldung haftet er nicht. (OLG Düsseldorf Urteil vom 02.03.2018 – I-22 U 71/17)
Hinweispflicht des Auftragnehmers – Erkennt der Auftragnehmer einen Planungsfehler des Architekten, muss er den Auftraggeber darauf hinweisen. Er ist nicht berechtigt, ohne Mitteilung die Ausführung gegenüber dem Planung zu ändern mit der Folge, dass das Folgegewerk nicht zu seinem Gewerk passt und dadurch ein Wasserschaden entsteht. Der Auftragnehmer muss in diesem Falle Vorschuss für die Mängelbeseitigung leisten, obwohl der Mangel nicht an seinem Werk sondern dem des Folgegewerkes entstanden ist. (OLG Celle, Urteil vom 20.03.2018 – 14 U 96/17 = BeckRS 2018,19856)
Ausschluss von einer Ausschreibung wegen ungenehmigten Nachunternehmereinsatzes – Hat ein Bauunternehmer bei einem Bauvorhaben ungenehmigt einen Nachunternehmer eingesetzt und sich dann auch noch uneinsichtig gezeigt, darf er bei einer späteren Ausschreibung vom Verfahren ausgeschlossen werden, auch wenn er das günstigste Angebot abgegeben hat. (OLG Frankfurt a. M. Beschluss vom 03.05.2018 11 Verg 5/18 = Beck RS 2018, 8098)
Zulässigkeit der Klage auf Gewährleistung bei mehreren Mängeln – Eine Klage wegen Schadenersatzansprüchen, die auf mehreren Baumängeln beruhen, hat mehrere Streitgegenstände. Diese unterschiedlichen Streitgegenstände müssen klar voneinander abgegrenzt werden, andernfalls kann die Klage unzulässig sein. (BGH, Urteil vom 19.07.2018 – VII ZR 19/18). Beim Mahnbescheid hat das erhebliche Bedeutung im Hinblick auf den Eintritt der Verjährung. Bei unbestimmt bezeichneten Streitgegenständen tritt trotz Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid Verjährung ein, das kann – anders als im Klageverfahren – nachträglich nicht mehr geheilt werden (BGH, Urteil vom 21.10.2008 – IX ZR 466/07).